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Vertrag / Vertragsrecht

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Alleinvertriebsvertrag

Rechtsgebiet:
Vertrag / Vertragsrecht
Stichworte:
Vertragsrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Händler und Lieferant können vereinbaren, dass der Lieferant dem Händler ein exklusives Bezugsrecht für bestimme Waren einräumt. Dieses Bezugsrecht wird in der Regel örtlich, zeitlich und sachlich eingegrenzt.

Begriff

  • Alleinvertriebsvertrag   =   Vereinbarung über ein örtlich, zeitlich und sachlich begrenztes, oft exklusives Bezugsrechts des Händlers auf bestimmte Waren eines Lieferanten

Grundlage

  • Die Zulässigkeit Innominatkontrakte zu kreieren und abzuschliessen, liegt in der Vertragsfreiheit

Abgrenzungen

  • Zum Vorvertrag
    • Der Alleinvertriebsvertrag ist ein Rahmenvertrag und damit nicht wie der Vorvertrag ein Dauerschuldverhältnis
  • Zum Kaufvertrag
    • Die einzelnen Warenbezüge des Händlers beruhen in aller Regel auf einzelnen Kaufverträgen
    • Der Alleinvertriebsvertrag erledigt sich jedoch nicht mit einen einzelnen Geschäft, sondern ist auf Dauer abgeschlossen. Damit ähnelt er dem Sukzessivlieferungsvertrag
  • Zum Arbeitsvertrag
    • Entscheidend ist bei dieser Abgrenzung die Unterordnung (Subordinationsverhältnis)
    • Entgegen dem Arbeitnehmer bleibt der Händler im Alleinvertriebsvertrag selbständiger Unternehmer, es existiert kein Subordinationsverhältnis
      • vgl. Arbeitsvertrag
  • Zum Auftrag und Agenturvertrag
    • Der Händler handelt im Alleinvertriebsvertrag in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, im Gegensatz zum Beauftragten also weder in direkter noch indirekter Stellvertretung
      • vgl. Auftragsrecht
  • Zum Franchisingvertrag
    • Stärkere Einbindung des Abnehmers ins Absatzförderungssystem und höhere Kooperationsintensität beim Franchising
    • Beim vertraglichen Absatz von Dienstleistungen gelangt meistens eher der Vertragstyp des Franchisingvertrages zur Anwendung.

Rechtsnatur

  • Beim Alleinvertriebsvertrag handelt es sich um einen Innominatkontrakt sui generis
  • Der Alleinvertriebsvertrag enthält Elemente des Sukzessivliefervertrages
    • Kaufvertrag mit Pflicht zur sukzessiven Lieferung durch den Verkäufer und (sukzessiver) Abnahme- und Zahlungspflicht des Käufers
  • Für die Gewährleistung und die Gefahrtragung können kaufrechtliche oder werkvertragliche Bestimmungen herangezogen werden
  • Weiter können je nach Rechtsfrage, Bestimmungen zum Agenturvertrag (OR 418 ff.) oder zur einfachen Gesellschaft (OR 530 ff.) analog Anwendung finden

Erscheinungsformen

  • Alleinvertriebsvertrag ohne Integration des Abnehmers in die Vertriebsorganisation des Lieferanten
    • Ausschliessliche Lieferpflicht des Lieferanten und Mindestbezugspflicht des Abnehmers
  • Alleinvertriebsvertrag mit Integration des Abnehmers in die Vertriebsorganisation des Lieferanten
    • Lieferpflicht des Lieferanten, Mindestbezugspflicht des Abnehmers und Vertriebsbindungsklausel

Zustandekommen

  • Händler und Lieferant müssen sich darüber einig sein, welche Ware, wie lange und unter welchen Bedingungen sowie zu welchem Preis exklusiv geliefert und vertrieben werden
  • Der Vertrag ist an keine Form gebunden
  • In gewissen Fällen kann der Alleinvertriebsvertrag gegen das Kartellrecht verstossen
    • Da auch der Alleinvertriebsvertrag Preis-, Mengen- und Gebietsabreden enthält, haben die Parteien – um Sanktionen zu vermeiden – den Alleinvertriebsvertrag auf seine kartellrechtliche Verträglichkeit hin zu überprüfen

Zweck

  • Einräumen eines exklusiven Bezugsrechts für bestimmte Waren
  • Absatzförderung
  • Gebietsschutz
  • Wettbewerbsvorteile
  • Preisbestimmung
  • Umsatzsteigerung

Rechte/Pflichten

  • Lieferant
    • Pflicht zur exklusiven Belieferung des Händlers
    • Beachtung des Konkurrenzverbots
    • Zurverfügungstellung bzw. Nutzungsduldung von Immaterialgüterrechten
      • Marken
      • anderer Kennzeichen
      • besondere bzw. technische Ausstattungen
    • Schutz des Abnehmer-Kundenstammes
  • Händler
    • Pflicht, Waren beim Lieferanten zu beziehen und diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben
    • Pflicht zur Absatzförderung im Vertragsgebiet
    • Kundendienst
    • Lagerhaltung
    • Ersatzteildienst
    • Weitere Pflichten möglich:
      • zB Direktlieferverbot
      • zB Querlieferverbot
      • zB Selektiver Vertrieb
      • zB Preisbindung
      • zB Marktforschung

Leistungsstörungen

  • Allgemein
    • Im Falle von Leistungsstörungen kommen – sofern die Folgen der Leistungsstörungen nicht vertraglich geregelt wurden – im Grundsatz die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts zur Anwendung
    • Je nach Leistungsstörung kann sich aber im konkreten Einzelfall auch eine analoge Anwendung einer Bestimmung anbieten, die im besonderen Teil des Obligationenrechts verankert ist
  • Leistungsunmöglichkeit
    • Hat der Schuldner die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, richten sich die Rechtsfolgen nach OR 97 Abs. 1
      • Schadenersatz
      • Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag zurücktreten
    • Ist die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit vom Schuldner nicht zu vertreten, kommt OR 119 zu Anwendung
      • Schuld gilt als erloschen
      • Bereits erhaltene Gegenleistungen müssen zurückerstattet werden
  • Schlechterfüllung
    • Mögliche Arten der Schlechterfüllung
      • zB Verletzung der Absatzförderungspflicht
      • zB Verletzung der Lieferpflicht
      • zB Verletzung der Exklusivabrede
    • Folgen der Schlechterfüllung
      • Schadenersatz durch Vertragspartei nach den allgemeinen vertraglichen Regeln (OR 97 ff.)
        • Schadenersatzpflicht
      • Der Gläubiger kann auch analog zu OR 107 Abs. 2 und 109 vom Vertrag zurücktreten
  • Gewährleistung
    • Es finden in der Regel die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln Anwendung, wenn die einzelnen Lieferungen grundsätzlich auf einzelnen Kaufverträgen basieren
    • Bei der Lieferung von noch nicht hergestellten Sachen finden die Bestimmungen der werkvertraglichen Gewährleistung Anwendung
      • für die Rechtsgewährleistung
        • OR 365 i.V.m. 192 ff.
      • für die Sachgewährleistung
        • OR 367 ff.
  • Verzug
    • Schuldnerverzug des Lieferanten
      • Mögliche Art des Verzuges
        • zB Bestellte Ware wird nicht geliefert
      • Folgen des Verzuges
        • Händler kann beim Verzug des Schuldners gemäss OR 107 Abs. 1 und 109 vom Vertrag zurücktreten oder am Vertrag festhalten und das positive Interesse geltend machen
        • Ersatz des Verspätungsschadens (OR 103)
    • Schuldnerverzug des Händlers
      • Mögliche Art des Verzuges
        • zB Bezahlt der Händler den Kaufpreis nicht rechtzeitig, wird er durch Mahnung in Verzug gesetzt
      • Folgen des Verzuges
        • Der Lieferant kann nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug vom Vertrag zurücktreten und die Rechte gemäss OR 107 Abs. 2 geltend machen
          • Positives oder negatives Vertragsinteresse geltend machen
    • Gläubigerverzug des Händlers
      • Mögliche Art des Verzuges
        • Händler nimmt vom Lieferant gehörig angebotene Leistung nicht an
        • Vernachlässigt seine Mitwirkungsobliegenheiten, wie zB Vorbereitungshandlungen zur Abnahme der Ware
      • Wirkung des Verzuges
        • Schuldnerverzug des Lieferanten wird dadurch ausgeschlossen
        • Händler trägt Gefahr des zufälligen Untergangs der Ware (OR 103 Abs. 1)
        • Lieferant kann Sachleistungen hinterlegen (OR 92 Abs. 1), nicht hinterlegungsfähige Sachen können versteigert werden (OR 93 Abs. 1)

Gefahrtragung

  • Übergang der Gefahrtragung und damit auch der Preisgefahr, bestimmt sich nach dem vertraglich vereinbarten Erfüllungsort
  • Ohne besondere Bestimmungen finden die Regeln des Kaufvertrags Anwendung
    • Übergang der Gefahrtragung bei Vertragsschluss (OR 185)

Beendigung

  • Ablauf der vereinbarten Mindestdauer
  • Durch Kündigung, gemäss vertraglich vereinbarter Frist
    • Ohne Vereinbarung (analoge Anwendung der Bestimmungen zum Agenturvertrag und zur einfachen Gesellschaft; BGE 107 II 216 ff.)
      • 1 Monat bei Vertragsverhältnissen unter einem Jahr
        • Vgl. OR 418q
      • 6 Monate bei Vertragsverhältnissen über einem Jahr
        • Vgl. OR 546 Abs. 1
  • Ausserordentliche Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen immer zulässig

International

  • Allgemein
    • Grenzüberschreitende Alleinvertriebsverträge beinhalten grundsätzlich immer eine Gerichts- wie auch eine Rechtswahlklausel
      • Gerichtsstandsklausel und Rechtswahlklausel
    • Sollten die Vertragsparteien ausnahmsweise keine Regelung in Bezug auf Zuständigkeit und anwendbares Recht getroffen haben, finden die Kollisionsnormen gemäss LugÜ und IPRG Anwendung
  • Zuständigkeit
    • Zuständigkeit nach LugÜ
      • Anwendungsbereich
        • Das LugÜ kommt dann zur Anwendung, wenn der Beklagte in einem LugÜ-Vertragsstaat wohnt
      • Allgemeine Gerichtsstände
        • Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Person (LugÜ 2)
        • Alternativ auch Klage am Erfüllungsort (LugÜ 5)
      • Zuständigkeit nach IPRG
        • Anwendungsbereich
          • Hat die beklagte Partei keinen Wohnsitz in einem LugÜ-Vertragsstaat, finden die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
        • Allgemeine Gerichtsstände
          • Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort (IPRG 112 Abs. 1)
        • Alternativer Gerichtsstand
          • am Erfüllungsort (IPRG 113)
  • Anwendbares Recht
    • Ohne Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
    • Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
      • IPRG 117 Abs. 1 und 2
    • Charakteristische Leistung beim Vertriebsvertrag ist der Vertrieb durch den Abnehmer und nicht der Verkauf der Produkte durch den Verkäufer, weshalb das Recht am Sitz des Händlers Anwendung findet

Literatur

  • Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, Der Alleinvertriebsvertrag: ein Praktikerleitfaden mit Checklisten für Alleinvertrieb in der Schweiz und im schweizerisch-internationalen (EU) Verhältnis, 2. Aufl., St. Gallen 1995, 190 S.
  • Just Eva Druey, Repetitorium zum schweizerischen Obligationenrecht, Art. 184-529, 10. Aufl., Bern 2014, 259 S.

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