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Vertrag / Vertragsrecht

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Application-Service-Provider-Vertrag

Rechtsgebiet:
Vertrag / Vertragsrecht
Stichworte:
Vertragsrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Beim Application-Service-Provider handelt es sich um einen externen IT-Dienstleister, der auf seiner Infrastruktur eine Applikation, d.h. ein Anwendungsprogramm zur Verfügung stellt, wobei der Benutzerzugriff auf diese Applikation über eine Netzwerkverbindung erfolgt. In der Regel verbunden mit der Vermietung von Software, Hardware und Services. Mit anderen Worten „Software aus der Steckdose“ zB Windows-Applikationen (Office, Exchange) oder ERP-Systeme

Begriffe

  • Application Service Provider (ASP)   =   Anbieter von Softwareapplikationen zur Benutzung über das Internet
  • Enterprise-Resource-Planning (ERP)   =   Managementsystem zur rechtzeitigen und bedarfsgerechten Planung von Unternehmerischen Aufgaben, wie zB die Allokation von Ressourcen, Kapital, Arbeitskräften, Material aber auch Controlling- oder Finanz- und Rechnungswesen-Aufgaben usw.

Grundlage

  • Die Zulässigkeit Innominatkontrakte abzuschliessen und neue Verträge zu kreieren, liegt in der Vertragsfreiheit

Abgrenzung

  • Zum Software-Lizenz-Vertrag
    • Kein Erwerb oder Installation der Software auf dem Rechner des Kunden bei ASP-Verträgen notwendig
  • zum SaaS (Software as a Service)
    • Individualisierung von ASP-Software-Lösungen sehr hoch
    • Software bei ASP-Anwender in eigenem Rechenzentrum bereitgestellt während sich SaaS-Kunden die Infrastruktur und Serverumgebung teilen
    • Laufzeiten von SaaS-Verträgen liegen häufig bei 12 bis 24 Monaten und im Bereich ASP bei drei bis fünf Jahren
  • Zum Werkvertrag
    • ASP stellt Software bereit, ist aber nicht für erfolgreiche Anwendung zuständig (Erfolgreiche Anwendung erfolgt durch Benutzer)

Rechtsnatur

  • Allgemein
    • Innominatkontrakt in der Art eine Kombinationsvertrages (Zwillingvertrag)
    • Kombination aus nominat- und innominatrechtlichen Einzelpflichten
      • Vgl. Arten von Innominatkontrakten
  • Typologisierung
    • Typologisierung des Innominatkontraktes hängt von der vereinbarten Leistung mit dem Provider ab:
      • Provider überlässt Software zur Benutzung
        • Lizenzvertraglicher und mietrechtlicher Charakter
      • Provider stellt Speicherplatz zur Verfügung
        • Mietrechtlicher Charakter
      • Pflege und Wartung der Software durch den Provider
        • Auftragsrechtlicher Charakter

Erscheinungsformen

  • Einzelne Applikationen
    • zB Applications für Lohnbuchhaltung
    • zB Applications für Finanzbuchhaltung
    • zB Applications für Kreditorenbuchhaltung
    • zB Applications für HR-Daten
    • zB Applications für Web-Shops
    • zB Applications für Webseiten-Design
    • uam
  • Enterprise-Resource-Planning (ERP) – Systeme
    • zB SAP
    • zB Oracle
    • zB Microsoft

Branchenverteilung

  • Pure-Breed ASP
  • Outsourcer mit ASP-Zusatz
  • Branchenfremde Dienstleister
  • Branchenspezialisten mit vertikalen ASP-Angeboten

Zweck

  • Softwarefunktion wird über das Internet bezogen
  • Zentralisierung von Software bei verteilten Standorten des Kunden möglich
  • Software und Rechenleistung werden in öffentliche Netze oder ins Internet ausgelagert
    • Ermöglicht Auslagerung ganzer Prozessschritte
    • Ermöglicht die Konzentration auf das Kerngeschäft
    • Reduziert die Komplexität von Software und Rechenleistung am Arbeitsplatz
    • Auslagerung bietet Ausfallsicherheit unter anderem aufgrund modernster Gebäudetechnik und physikalischer Sicherheit

Zustandekommen

  • ASP Verträge sind formfrei möglich (OR 11 Abs.1)
  • In der Praxis werden dieses Verträge aber schriftlich (oft verbunden mit standardisierten AGB) und online abgeschlossen

Rechte/Pflichten

  • Application Service Provider (ASP)
    • Administration
    • Design von Applikationslandschaften
    • Betreuung der Benutzer
    • Schulung des Kunden bzw. dessen Angestellten
    • Datenaufbewahrung
    • Regelmässige Sicherung der Daten
    • Patches Einspielen
    • Pflicht zur jederzeitigen Datenbereitstellung / Datenherausgabe
    • Pikettdienst für den Fall einer technischen Störung
    • Updates und Weiterentwicklung der Applikationssoftware
    • Betrieb und Support
  • Kunde
    • Vergütung der vom ASP zur Verfügung gestellten Leistung
      • Abrechnung in der Regel nach Nutzungsintensität
    • Eigene Sicherheitsmassnahmen ergreifen, die vor unbefugtem Zugriff auf Inhalte schützen
    • Rechtmässigkeit der auf dem Server des Providers gespeicherten Inhalte prüfen
    • Regelmässiges Update insb. einer allfälligen Client-Software
    • Pflicht zur umgehenden Meldung von Mängeln, insbesondere bei Mängeln der Software

Leistungsstörungen

  • Allgemein
    • Im Falle von Leistungsstörungen kommen – sofern die Folgen der Leistungsstörungen nicht vertraglich geregelt wurden – im Grundsatz die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts zur Anwendung.
    • Je nach Leistungsstörung kann sich aber im konkreten Einzelfall auch eine analoge Anwendung einer Bestimmung anbieten, die im besonderen Teil des Obligationenrechts verankert ist
      • zB Beurteilung nach miet- oder werkvertraglichen Regeln
  • Hauptanwendungsfall –  Server Ausfall
    • Kurzer Ausfall
      • In der Praxis wird die Gewährleistung für einen komplett störungsfreien Betrieb der Hosting-Dienstleistungen (insb. des Servers und somit der Software) ausgeschlossen, da Störungen nicht vermieden werden können
      • Einschränkungen von 2-4% werden als zumutbar erachtet
      • Leistungsstörung liegt dann vor, wenn der Wert unter den vertraglich vereinbarten Leistungswerten liegt
        • Es ist ratsam, bei den vereinbarten Leistungswerten anzugeben, ob sich diese Leistungswerte auf Tage, Wochen oder längere Zeitabschnitte beziehen
    • Längerer Ausfall
      • Schlechterfüllung im Sinne von OR 97
      • Rückerstattung der Kosten und allenfalls Ersatz für weiteren Schaden
        • zB Verkaufseinbruch bei Online-Verkaufsportalen bei Benutzung einer Onlineshop Software
      • Rücktritt vom Vertrag möglich (OR 107 ff.)
        • Da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, Rücktritt ex nunc, d.h. nicht rückwirkend, sondern von jetzt an (kommt einem sofortigen Kündigungsrecht gleich)
  • Störung der Internetverbindung
    • Der Provider übernimmt jedoch keine Gewährleistung für Störungen der Internetverbindung

Beendigung

  • Ablauf der Vertragsdauer
    • Häufig fixe und ordentlich nicht kündbare Vertragsdauer vereinbart
  • Kündigung des Vertrages gemäss vereinbarter Kündigungsfrist
  • Beendigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen
    • Jederzeit und fristlos möglich

Datenlöschung

  • Nach Vertragsbeendigung für Kunde in der Regel von grossem Interesse, dass Daten bei ehemaligem Provider gelöscht werden

International

  • Zuständiges Gericht
    • Gerichtsstandsklausel
      • Mit Gerichtsstandsklausel
        • Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, können die Parteien für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren
      • Ohne Gerichtsstandsklausel
        • Fehlt eine Gerichtsstandsklausel, richtet sich der Gerichtsstand nach den international einschlägigen Bestimmungen (LugÜ und IPRG)
    • Internationale Bestimmungen
      • Zuständigkeit nach LugÜ
        • Anwendungsbereich
          • Das LugÜ kommt dann zur Anwendung, wenn der Beklagte in einem LugÜ-Vertragsstaat wohnt
        • Allgemeine Gerichtsstände
          • Klage am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Person (LugÜ 2)
          • Alternativ auch Klage am Erfüllungsort (LugÜ 5)
      • Zuständigkeit nach IPRG
        • Anwendungsbereich
          • Beklagte Partei ist nicht in einem LugÜ-Vertragsstaat wohnhaft, Anwendung der Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (IPRG) auch für die Zuständigkeitsvorschriften Anwendung
        • Allgemeine Gerichtsstände
          • Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagen oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort (IPRG 112 Abs. 1) oder
          • Alternativer Gerichtsstand am Erfüllungsort (IPRG 113)
  • Anwendbares Recht
    • Rechtswahlklausel
      • Parteien haben die Möglichkeit, das anwendbare Recht frei zu wählen
        • Rechtswahlklausel
      • Ohne Rechtswahlklausel
        • Bei Fehlen einer Rechtswahlklausel folgt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt
        • Der engste Zusammenhang besteht vermutungsweise mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung hat
          • IPRG 117 Abs. 1 und 2
  • Charakteristische Leistung
    • Charakteristische Leistung ist die Anbietung von Softwares auf dem Server des Application-Service-Providers, weshalb das Recht am Sitz des Application-Service-Providers Anwendung findet

Literatur

  • SCHNYDER ORSOLYA FERCSIK, Internet-Access-Providing-Verträge mit geschäftlichen und privaten Endkunden: eine vertragsrechtliche Analyse nach schweizerischem Recht unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der Europäischen Union, Dissertation, Zürich 2012, S. 31 ff.

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