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Vertrag / Vertragsrecht

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Eintritt höherer Gewalt ohne Force Majeure-Abrede

Rechtsgebiet:
Vertrag / Vertragsrecht
Stichworte:
Vertragsrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Die Vertragsparteien können im Falle höherer Gewalt von ihren Erfüllungs- bzw. Leistungspflichten befreit sein, ohne dass eine sog. „Force Majeure“-Klausel besteht.

Weiter ist die Unmöglichkeit zu differenzieren in:

  • Nachträglich dauernde Unmöglichkeit
  • Nachträglich vorübergehende Unmöglichkeit

Nachträglich dauernde Unmöglichkeit

Wird die Erbringung einer Leistung nachträglich dauernd unmöglich, gilt folgendes:

  • Definition der dauernden Unmöglichkeit
    • = Leistung ist für immer unmöglich
  • Wirkung
    • Grundsatz
      • Erlöschen der Leistungspflicht
        • meist wechselseitig
          • zB Entfallen der Kaufpreiszahlungspflicht, wenn die Ware nicht geliefert wurde
      • Pflicht der Gegenpartei, ihre Leistung dennoch zu erbringen?
        • Bei synallagmatischen Verträgen, d.h. bei vollkommen zweiseitigen Verträgen, bei denen die eine Partei ihre Leistung unter der Voraussetzung verspricht, dass die andere Partei ihrerseits eine Gegenleistung erbringt, wirkt die Befreiung wechselseitig
          • Pflicht zur Leistung und zur Gegenleistung gehen unter und es ist aus Nichterfüllung kein Schadenersatz geschuldet
          • Erbrachte (Teil-)Leistungen sind rückabzuwickeln, sofern und soweit – je nach Vertragstypus oder bei entsprechender Vertragsabrede – die Gefahrtragung bereits auf die andere Partei übergegangen ist (zB Gefahrenübergang auf den Erwerber mit Kaufvertragsabschluss bzw. Übertragung des Kaufsobjektes vor Zahlung)
        • Erbringt der vorleistungspflichtige Vertragspartner seine Leistung nicht, kann der andere Partner die Einrede der nicht erfüllten Leistung erheben und so seine Erfüllung verweigern
    • Ausnahme
      • Kein Dahinfallen der Leistungspflicht, wenn der Leistungsschuldner vor Eintritt der Unmöglichkeit in Verzug ist
      • Säumiger Leistungsschuldner haftet auch für nachträglich dauernde Unmöglichkeit, unter der Voraussetzung, dass die Partei den Verzug selber verschuldet respektive zu vertreten hat (zB Lieferfehlplanung, Leerverkauf o.ä.)
        • Erfordernis der Einzelfallprüfung
    • Spezialgesetze
      • Spezialgesetzliche Normen können dieser allgemeinen Regelung des OR vorgehen

Quelle

Nachträglich vorübergehende Unmöglichkeit 

Von der nachträglichen dauernden Unmöglichkeit zu unterscheiden, ist die nachträglich vorübergehende Unmöglichkeit:

  • Definition der vorübergehenden Unmöglichkeit
    • =   Leistung ist im Moment nicht, aber zu einem späteren Zeitpunkt doch möglich
  • Entscheidender Sachverhalt
    • Abklärung, ob eine dauernde oder bloss temporär Unmöglichkeit vorliegt
      • Erfordernis der Abklärung im individuell konkreten Einzelfall
    • Spätere Nutzlosigkeit der Leistung
      • Bei der Sachverhaltsabklärung ergibt sich auch, ob die Leistung nach Entfallen der temporären Unmöglichkeit für die Gegenpartei noch von Nutzen ist
    • Coronavirus-bedingte Unmöglichkeit
  • Entscheidende Abrede von Erfüllung und Vorgehen bei Nichterfüllung
    • Fixtermin-Geschäft
      • Bei sog. Fixtermingeschäften, d.h. bei Rechtsgeschäften, aufgrund derer die Leistung am vereinbarten Tag erbracht werden soll (zB Hochzeit), ist von einer dauerhaften Unmöglichkeit auszugehen (spätere Nutzlosigkeit)
    • Verfalltagsgeschäft
      • Bei Ausbleiben einer vorleistungspflichtigen Lieferung befindet sich der Lieferant nach einer Nachfristansetzung ohne weiteres in Verzug
    • Mahngeschäft
      • Bei den sog. Mahngeschäften ist nebst der Nachfristansetzung noch eine Mahnung notwendig
  • Massnahmen und Wirkungen
    • Leistungspflicht?
      • Die nachträgliche vorübergehende Unmöglichkeit entbindet den Schuldner nicht von seiner Leistungspflicht
      • Er bleibt an den Vertrag gebunden
    • Nachfristansetzung an die säumige Partei
      • Der Leistungsgläubiger hat bei Verfalltaggeschäften oder Mahngeschäften das Recht, der säumigen Gegenpartei eine Nachfrist zur Erfüllung anzusetzen:
        • Erfordernis der Angemessenheit der Nachfrist
        • Coronavirus-Situation
          • Schwierige Angemessenheitsfindung für die Nachfrist in der aktuellen Notlage
            • zB Berücksichtigung des (derzeitigen) Massnahmenendes (Notstandsdauer bis 19.04.2020)
          • Lösungsmöglichkeit
            • zB einvernehmliche Nachfristansetzung, sofern und soweit dies überhaupt möglich ist
    • Inverzugsetzung bei Mahngeschäft
      • Erfüllt die säumige Partei ihre Verpflichtung trotz angesetzter Nachfrist nicht, so steht der Leistungsgläubiger-Partei ein „Wahlrecht“ zu
      • Die Auswahl der drei Varianten hängt von der Vorteilhaftigkeit des unerfüllten Geschäftes bzw. davon ab, ob sich zwischenzeitlich die Produktpreise reduzierten bzw., ob der Leistungsgläubiger noch einen Produktbedarf hat (vielleicht hat er sich zwischenzeitlich günstiger eindecken können oder müssen) oder, ob die Rückabwicklung gewünscht wird, damit er seine bereits erbrachte Vorleistung wiedererlangt etc.:
        • Festhalten an der Vertragserfüllung und Forderung des Verzugsschadens-Ersatzes
          • Nachfristansetzung und Abmahnung der ausstehenden Leistung
          • Spätere Einforderung des Verzugsschadens
        • Verzicht auf Vertragserfüllung und Forderung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung
          • Erfordernis der unverzüglichen Verzichtsmitteilung an die säumige Partei
          • Separate Einforderung des Schadenersatzes aus Nichterfüllung
        • Verzicht auf Erfüllung und Vertragsrücktritt
          • Erfordernis der unverzüglichen Erfüllungsverzichts-Vertragsrücktrittsmitteilung an die säumige Partei

Quelle

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    Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

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